Thema: Bräuchte die Einschätzung von einem Betroffenen

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Bräuchte die Einschätzung von einem Betroffenen
18.09.2019 von User45974A71

Hallo,

erstmal ich bin neu hier und bräuchte eine objektive Einschätzung der Situation.

Ich habe übers Internet einen Mann Alter 30 kennengelernt. Wir waren uns recht schnell sympathisch und kamen uns rasch näher. Er ist ein extrem guter Zuhörer und machte auch mich am Anfang auch einen recht empathischen Eindruck. Auf Grund der riesigen Entfernung ca 900 km war eigentlich klar, dass wenn wir Zusammenkommen, es erst einmal eine Fernbeziehung wäre. Trotz aller für und wieder, waren wir beide verliebt, dieses Gefühl konnte er erkennen. In dieser Zeit war er extrem aufmerksam und anhänglich.
Als die Phase für ihn vorbei war und etwas Ruhe einkehrte, musste ich eigentlich alles machen, ihn anschreiben, ihn anrufen etc. Gut dachte ich vll ist es vorbei, also sprech ihn darauf an.
Ihm war es wohl nicht so klar, dass es so war. Wir haben ein sehr ehrliches Verhältnis zueinander. Er sagte das es ihm jetzt so viel besser gefalle und er sich nicht mehr so durch das Verliebtsein gestresst fühlte. Ich teilte ihm mit, dass ich es aber als eher abwertend empfinden würde. Danach hatte ich das Gefühl, er versuchte es mir recht zu machen, da wo er es erkannte.

Er erkennt Gefühle nicht, ich muss sie ihm erklären. Kein Problem habe ja einen autistischen Sohn. Er hatte nie vor mir, das Gefühl, dass er eine Beziehung möchte, aber er kann mir nicht sagen, ob er mich liebt. Er hat Angst mich zu enttäuschen, denke ich und absolut kein gutes Bild von sich. Was fast witzig ist, er sieht verdammt gut aus und ist einer der liebsten Menschen, wenn er erkennt, dass man ihn braucht. Eigentlich denke ich immer, ich wäre nichts für ihn.

Wir kamen in die Situation, als ich von ihm wissen wollte, wie es weitergehen sollte und dass ich mir mehr Zuneigung wünsche, dass er sagte, er denke ich liebe ihn mehr als er mich, er könne Liebe nicht fühlen, aber das Zusammensein mit mir wäre angenehm. Ich habe darauf sauer reagiert und dachte er will mich hinhalten. ich gab ihm Zeit darüber klar zu werden.

Wieder musste ich Kontakt aufnehmen, er sagte, er wolle mich nicht unglücklich machen und er denke ich wollte das Schluss ist. In der Zwischenzeit hatte ich mich im Internet schlau gemacht, der Begriff Alexithymie konnte für ihn geschrieben worden sein, wobei ich irgendwie glaube er unterdrückt auch etwas.
Ich teilte ihm meinen Verdacht mit und wir sprachen darüber. Er sieht sich darin schon wieder. Ich meinte, ich wäre bereit, ihm zu helfen und auch zu Warten bis er wenigstens mal einen Psychotherapeuten zu rate zeihen würde. Er wollte überlegen.

Nun teilte er mir mit, dass er dafür nicht bereit wäre. Er weinte als wir uns dann trennten, aber ich kann nicht wirklich nachvollziehen, warum man nicht froh ist, wenn man weiss vielleicht gibt es eine Besserung oder versucht es wenigstens.

Ich vermisse ihn wirklich, aber es ist die Frage, gäbe es eine Zukunft? Müsste ich mich immer damit zufrieden geben, nie ein ehrliches ich Liebe dich zu hören? Helfen Psychotherapien überhaupt? Wie kann es ihm besser gehen, denn ich weiss, dass er sich alleine und einsam fühlt, dass kann er erkennen. Ich mache mir Sorgen.

Danke schon einmal, dass es jemand gelesen hat ;)

08.10.2019 von Xaba

Hallo

Ich kann dir anbieten, meine Meinung/Erfahrung zu teilen. Was du damit anstellst, musst du entscheiden :)

Alexithymie gibt es in vielen verschiedenen Ausprägungen. Ich z.B. kenne das Gefühl Liebe nicht, da ist deiner schon gefühlsvoller. Und der Satz "Ich liebe dich" sind dann einfach Worte, aber keine Gefühle. Ich hab für mich dieses Problem so gelöst, dass ich "Liebe" anders definierte. Nicht mittels Emotionen, sondern, dass Liebe z.B. eine Vertrautheit ist. Also eine Definition auf verstandes anstatt emotionaler Ebene. Dann kann man auch als Alexi diesen Satz ganz ehrlich sagen. Es sagt einem ja nie jemand, was Liebe wirklich ist. Jeder kann das für sich selber definieren :)

Ich finde es super von dir, dass du dich darüber informiert hast und ihm das Angebot gemacht hast, ihm zu helfen (als Beispiel: Meine Ex meinte nur, sie will jemand, der mehr Gefühle zeigt. Haha ja danke, zeig mal was, was nicht da ist.).
Schlussendlich muss er aber für sich entscheiden, ob er sich verändern will oder nicht. Veränderungen sind immer mit viel Aufwand und Überwindung verbunden. Du kannst ihn nur unterstützen, was du schon tust. Wenn er nicht will, will er nicht. Es braucht aber auch Zeit, zu realisieren, dass man gefühlsmässig nun mal anders ist und noch mehr Zeit, dies zu akzeptieren und damit umzugehen.

Wenn du einen Partner willst, der dir emotional das Selbe entgegenbringt, wie du für ihn, dann ist ein Alexi nicht der Richtige für dich. Wir können das nun mal nicht. Es gibt Partner, denen ist dies wichtig, und für andere wiederum nicht. Wie wichtig es für dich selber ist, musst du entscheiden. Aber auch wenn ihr zusammen daran arbeitet, darfst du nicht erwarten, dass er nach einem ZRM Coaching oder Therapie plötzlich sprudelt voller Liebesgefühle.

Bezüglich gemeinsamer Zukunft spielen ja noch viel mehr Aspekte rein, nicht nur alexi sondern auch Beziehung. Was erhoffst du dir von dieser Beziehung? Siehst du eine gemeinsame Zukunft, läuft ihr in die selbe Richtung? Wie kommt ihr mit den 900km zurecht?

Ein paar Gedanken meinerseits. Vielleicht kannst du was damit anfangen :)

Viel Erfolg!

21.10.2019 von User28528P67

Liebe User45974A71 ,

ich möchte Dir auch anbieten, meine Erfahrung zu teilen. Vor ca. einem Jahr habe ich einen Mann kennen gelernt, der mir ziemlich bald gesagt hat, dass er nicht liebt und seine Gefühle für mich nur freundschaftlicher Natur seien. Da er aber auch niemand Anderen liebt und von sich selbst sagt, dass er sich im Alter von 10 Jahren zum letzten Mal verliebt habe, habe ich mich nicht gekränkt gefühlt.

Ich habe irgendwann mal angefangen, zu recherchieren und bin auf Alexithymie gestossen. Alles passte sehr gut!!

"Mein Exemplar" hatte aber sehr gern körperliche Nähe, z.B. sind wir draussen immer Händchen haltend herumgelaufen etc. Es gibt wohl viele Alexis, die das garnicht mögen und auch Sex eher überflüssig finden. Mein Mensch hatte gern Sex. (Aber ich ziemlich bald nicht mehr mit ihm, weil in dem Bereich das Verständnis leider auch nicht gut war, und auch nicht besser wurde mit der Zeit)
Ich denke, wenn es keine Möglichkeiten gegeben hätte, irgendwie Körperlichkeiten auszutauschen, dann hätte ich es nicht so lange mit ihm versucht.

Du schreibst, er sei sehr liebenswürdig und hilfsbereit. Das scheint ziemlich typisch zu sein. Alexis scheinen ihre positive Affektion durch Fürsorglichkeit und grosse Verlässlichkeit zu zeigen.

Ich bin am Schluss nicht damit zurecht gekommen, dass er so vieles nicht verstanden hat und so viele Infos von mir wieder vergessen wurden. Empathie, emotionales Mit-schwingen, Verständnis, waren nicht möglich. Ich hatte das Gefühl, ich muss ständig von Adam und Eva an meine Person ihm erklären.
Was er über mich gesagt/ mir vorgeworfen hat, wie ich sei, da hatte ich den Eindruck, er spricht über eine völlig andere Person, so sehr habe ich mich darin nicht wiedererkannt.

Wenn ich versucht habe, ihn dazu zu bewegen, eine sinnvollere Kommunikation zu erlernen, oder "sich helfen" zu lassen (wobei ich es nicht richtig finde, so defizitorientiert zu denken...), dann hat er sich beschwert, dass ich immer an ihm rumschrauben wolle.

Überhaupt war er immer ein Opfer und wenn ich mich über seine teils krassen Beleidigungen beschwert habe, dann war er beleidigt und ich die Schlimme. Er konnte absolut nicht seinen Anteil an der Situation reflektieren und hat einfach immer nur zurückgeschossen. So sind wir nie zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen. Ob diese Reflektionsunfähigkeit und das extreme sich-als-Opfer darstellen zum Alexi-sein dazugehört, vermag ich nicht einzuschätzen.

Im Zusammenhang mit Deinem Problem, dass Du alles übernehmen musst, was Verabredungen angeht, könnte es helfen, wenn ihr einen Rhythmus abmacht. Also z.B. jeden Dienstag um 17:00 meldest Du Dich per Whatsapp bei mir. Oder: jeden Morgen, wenn Du zur Arbeit gehst, gibst Du mir einen Kuss.
Die gleichbleibende Routine und sichere Regeln, an die man sich halten kann, sind für Alexis hilfreich. (Für mich würde so etwas aber nicht funktionieren.)

Insgesamt habe ich in der Zwischenzeit eingesehen, dass wir nicht weiterkommen, so lange wie er in seinem Sein verbleiben will. Veränderungen der Routine scheinen für Alexis extrem schwierig zu sein. Ich habe wohl ständig seine Routine bedroht und in Frage gestellt und deshalb war er permanent auf "Abwehr." Das kann nicht gutgehen. Ich habe beschlossen, dass ich mir eine solch schwierige Situation nicht antun muss. Es ist mehrere Male schwer eskaliert zwischen uns und jetzt habe ich es endgültig verstanden.
Eine Beziehung/Freundschaft mit ihm kann nur auf sehr oberflächlicher Ebene gutgehen. Man kann schöne Zeit verbringen bei gemeinsamen Aktivitäten, er ist auch Haushaltsdingen überhaupt nicht abgeneigt und übernimmt absolut ohne Klage seinen Job, was ich sehr angenehm finde. Auf Wortwitz und Humor wirkt sich bei ihm Alexithymie nicht aus und ich habe mit ihm viel Spass gehabt. Er hat auch über meine sarkastischen Witze sehr lachen können, da gab es also durchaus Wortverständnis.
Aber in vielen anderen Hinsichten hatte ich das Gefühl, ich habe es mit Jemandem zu tun, der kognitiv schwer eingeschränkt und absolut schwer von Begriff ist. Ganz komisch!
Sobald ein Gedanke mit mehr Tiefe kommt, ist er überfordert und ich ernte Unverständnis. Das kann insbesondere in Momenten nicht gut gehen, wo ich einfach ein Gegenüber benötige, das mich versteht und vielleicht unterstützt.

Ich denke, es ist auf jeden Fall wichtig, nicht zuviel von einer solchen Beziehung zu erwarten. Wenn man merkt, dass es trotz vieler Mängel noch für einen stimmt, dann ist das schön. Aber man kann nicht erwarten, dass der Freund sich nach den eigenen Vorstellungen verändert. Das muss er schon selbst wollen.

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