Thema: Alexithymie wieder

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Alexithymie wieder
06.01.2015 von Pryden

Hallo,

ich bin neu hier und gerade mit großem Interesse am Lesen. Ein Thema nach dem anderen und ich habe das Gefühl, endlich weitergekommen zu sein. Jahrelange Therapie und immer nur im Dunkeln getappt und jetzt taucht etwas auf, was zum größten Teil so zutreffen ist!

Ich habe mir gerade das Thema "Was sind Gefühle?" ( http://www.alexithymie.com/de/forum_.html?topicid=50&pageid=1 ) durchgelesen und jetzt möchte ich etwas wissen:
Der User "Anonym" scheint in seinem ganzen Leben nie Gefühle empfunden zu haben, er scheint sie nicht zu verstehen, also eine Art Alexi von erster Stunde an. Nach dem Lesen anderer Themen hier scheint das aber nicht die Norm zu sein, viele sind es erst im Laufe ihres Lebens bzw. ihrer Jugend geworden - so wie ich, falls ich es denn bin.
Was dieser User und andere Alexi's so schreiben, kann ich teilweise sehr gut nachvollziehen, denn heute geht es mir kaum noch anders. Allerdings kann ich das, was die Gefühlsmenschen in dem Thema so schreiben ebenfalls gut nachvollziehen, nachempfinden, mich erinnern. Ich kenne die meisten Gefühle, habe sie empfunden und gelebt, bis sie nach einem (für mich) traumatischen Ereignis langsam verschwunden sind. Das ging so mit 18/19/20 los, heute bin ich 26 Jahre alt. Noch sind nicht alle Gefühle weg, ich kann durchaus noch Freude, Vorfreude empfinden, kann manchmal für den Hauch einer Sekunde das sehnsüchtige Gefühl der Liebe empfinden. Wut, Aggression etc. geht relativ einfach, allerdings vermeide ich es, dass es überhaupt so weit kommt.
Ein Therapeut meinte mal zu mir, dass diese Gefühllosigkeit von mir nicht behandelbar sei und es eben so ist wie es ist. Das selbe liest man im Umgang mit Alexithymie. Das glaube ich aber nicht, zumindest nicht in einem Fall, wo man mal - zumindest teilweise - ein Gefühlsmensch war.
Ich glaube nicht, dass meine Gefühlswelt komplett verschwunden ist, aber sie ist hinter einer großen, fetten, nahezu undurchbrechlichen Mauer von Misstrauen, Angst, Scham, Angst vor Enttäuschungen und ganz schlechten Erfahrungen verbarrikadiert. Rein von der Logik her, müsste es aber bei jedem hier so sein, der erst im Laufe der Adoleszenz zum Alexi wurde, oder? Wenn ja, glaube ich einfach nicht, dass das ein unumkehrbarer Prozess ist. Es muss doch möglich sein, Gefühle wieder zu aktivieren, neu zu assoziieren, vielleicht sogar neu zu erlernen indem man sie sich von anderen abschaut. Indem man versucht gewisse Situationen mehr wahrzunehmen, zu spüren (nicht zu analysieren!), indem man irgendwie lernt seinen Kopf abschalten zu können, ein neues Körperempfinden zu erlernen und zu spüren wenn etwas passiert und es zuzulassen. So wie früher auch.
Deuten sollte man gewisse Gefühle/Empfindungen doch können, wenn man sie einst selbst mal erlebt hat? Ich jedenfalls erinnere mich noch gut an das Kribbeln im Bauch wenn ich mich tage- oder wochenlang auf etwas gefreut habe. Die Schmetterlinge im Bauch wenn ich meinen Schwarm gesehen habe...ich habe diese Gefühle noch in Erinnerung und wie schon erwähnt, empfinde ich sie ganz selten noch für den Bruchteil einer Sekunde, bis mein Kopf sich einschaltet und alles zunichte macht.

Ist es denn wirklich nicht möglich wieder so wie früher zu werden? Weiß man das? Ist es nicht so, dass hier etwas pauschalisiert wird? Muss man denn bei Alexithymie nicht unterscheiden ob man die Gefühlswelt einst erlebt hat oder nie kennengelernt hat?

Ich wäre gerne wieder so wie früher oder sogar noch gefühlsvoller. Ich vermisse diese Gefühle und ich nehme alles schlechte in Kauf um das wieder erleben zu dürfen. Ich bin doch keine Maschine, die einfach nur auf Erden wandelt um zu funktionieren.

Antwort
26.01.2015 von berkel

Ich würde behaupten, das es sehr wohl einen großen Unterschied ausmacht, ob man Gefühle so nicht kennt (oder gar hat) - oder ob man sie nur nicht zulassen will (bzw. kann). Leider überlappen sich dort die Symptome zwangsläufig.

Ohne das ich da ein Fachmann wäre, würde ich vermuten, das Du Deine Gefühle "abgewürgt" hast, was auch durchaus natürlich sein dürfte, nach einem heftigen traumatischen Erlebnis. Denn das dürfte etwas sehr negatives gewesen sein - und wer möchte schon gern daran erinnert werden? Vermutlich würde es helfen, wenn Du zum einen das traumatische Erlebnis aufarbeitest (machst Du vermutlich - Therapeut?) um damit dieser "Blockade" an den Leib zu gehen.
Vielleicht ist es auch eine Möglichkeit, wenn Du aktiv deinen Gefühlen nachspürst. Also z.B. Dir einfach an jedem Abend aufschreibst, was dich an dem Tag am meisten/stärksten beschäftigt hat und wie es dir damit ergangen ist. Ob es positiv/negativ war und warum? Und vielleicht, so Du ein Gefühl dazu hattest, auch das zu beschreiben bzw. niederzuschreiben. Das rückt Deine Gefühle wieder stärker in Deinen Fokus, weil Du Dich damit befasst und sie nicht "ignorieren" kannst.

So als Idee.

Antwort
26.01.2015 von berkel

Ich würde behaupten, das es sehr wohl einen großen Unterschied ausmacht, ob man Gefühle so nicht kennt (oder gar hat) - oder ob man sie nur nicht zulassen will (bzw. kann). Leider überlappen sich dort die Symptome zwangsläufig.

Ohne das ich da ein Fachmann wäre, würde ich vermuten, das Du Deine Gefühle "abgewürgt" hast, was auch durchaus natürlich sein dürfte, nach einem heftigen traumatischen Erlebnis. Denn das dürfte etwas sehr negatives gewesen sein - und wer möchte schon gern daran erinnert werden? Vermutlich würde es helfen, wenn Du zum einen das traumatische Erlebnis aufarbeitest (machst Du vermutlich - Therapeut?) um damit dieser "Blockade" an den Leib zu gehen.
Vielleicht ist es auch eine Möglichkeit, wenn Du aktiv deinen Gefühlen nachspürst. Also z.B. Dir einfach an jedem Abend aufschreibst, was dich an dem Tag am meisten/stärksten beschäftigt hat und wie es dir damit ergangen ist. Ob es positiv/negativ war und warum? Und vielleicht, so Du ein Gefühl dazu hattest, auch das zu beschreiben bzw. niederzuschreiben. Das rückt Deine Gefühle wieder stärker in Deinen Fokus, weil Du Dich damit befasst und sie nicht "ignorieren" kannst.

So als Idee.

Antwort
26.01.2015 von berkel

Ich würde behaupten, das es sehr wohl einen großen Unterschied ausmacht, ob man Gefühle so nicht kennt (oder gar hat) - oder ob man sie nur nicht zulassen will (bzw. kann). Leider überlappen sich dort die Symptome zwangsläufig.

Ohne das ich da ein Fachmann wäre, würde ich vermuten, das Du Deine Gefühle "abgewürgt" hast, was auch durchaus natürlich sein dürfte, nach einem heftigen traumatischen Erlebnis. Denn das dürfte etwas sehr negatives gewesen sein - und wer möchte schon gern daran erinnert werden? Vermutlich würde es helfen, wenn Du zum einen das traumatische Erlebnis aufarbeitest (machst Du vermutlich - Therapeut?) um damit dieser "Blockade" an den Leib zu gehen.
Vielleicht ist es auch eine Möglichkeit, wenn Du aktiv deinen Gefühlen nachspürst. Also z.B. Dir einfach an jedem Abend aufschreibst, was dich an dem Tag am meisten/stärksten beschäftigt hat und wie es dir damit ergangen ist. Ob es positiv/negativ war und warum? Und vielleicht, so Du ein Gefühl dazu hattest, auch das zu beschreiben bzw. niederzuschreiben. Das rückt Deine Gefühle wieder stärker in Deinen Fokus, weil Du Dich damit befasst und sie nicht "ignorieren" kannst.

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